Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir; hab keine Angst, denn ich bin dein Gott! Ich habe dich stark gemacht, ja ich habe dir geholfen und dich gehalten mit meiner siegreichen Rechten.
Jesaja 41:10
Im Frühling 1998 begannen wir nach einem Ort zu suchen, an dem wir ein Sommercamp für die Kinder organisieren könnten. Wir fanden verschiedene Optionen, doch jedes Mal, wenn wir sagten, mit wem wir kommen wollten, wurde uns mitgeteilt, dass dies leider nicht möglich sei. Gerade als die Lage hoffnungslos erschien, führte Gott uns zu den Menschen, welche verantwortlich für das Tumala-Gutshaus in der Nähe von Orissaare waren. Diese hießen uns freundlich willkommen, hörten sich unsere Geschichte an und boten uns an, unser Sommercamp im Gutshaus durchzuführen.
Das Tumala-Gutshaus hatte lange als Schule gedient, aber seit der Schließung der Schule stand es seit Jahren leer. Es gab kein fließendes Wasser in dem Gebäude, doch die Türen und Fenster waren noch vorhanden und in einigen Räumen gab es Strom. Diese Bedingungen waren gut genug für uns.
Sehr herausfordernd war die Situation mit den Läusen und der Krätze. Wir errichteten Waschräume im Freien aus Brettern und Plastikplanen. Um Wasser zu erhitzen, benutzten wir ein leeres Benzinfass über dem Feuer. Anfangs war es sehr schwierig die Kinder dazu zu bringen, sich zu waschen. Bald jedoch stellte jeder fest, wie gut es sich anfühlte, sauber zu sein und am Abend bildeten sich Schlangen vor den Waschräumen. Es war uns eine große Hilfe, dass unsere guten Freunde aus Norwegen, Schweden und Finnland uns Kleidung und Lebensmittel für das Sommercamp geschickt hatten.
Das Sommercamp, welches sich über mehr als einen Monat erstreckte, erwies sich sowohl für die Kinder als auch für die Erwachsenen als wahre Herausforderung. Es war voller Überraschungen und Enttäuschungen, Freude und Wut, Vertrauen und Verrat. Es gab für alle viel zu entdecken und wir lernten zu verstehen, zu vergeben und zu lieben.
Zwischen den Kindern gab es viele ungelöste Konflikte, welche sie nur mit körperlicher Gewalt zu lösen wussten. Um ernsthafte Ausschreitungen zu verhindern, mussten wir uns oft abends in ihr Zimmer setzen und aus der Bibel vorlesen, bis sie alle eingeschlafen waren. Während des Sommerlagers organisierten wir einen nächtlichen Gottesdienst in der Kirche von Pöide, bei dem alle Kinder, die wollten, getauft wurden.
Während des Sommercamps wurde das Vertrauen zwischen uns noch stärker und am Ende des Lagers sagten die Kinder, dass sie nicht nach Kopli zurückkehren wollten. Obwohl anfangs das Waschen der Hände und Füße am Abend als lästig empfunden wurde, wollten nun alle gerne in sauberen Laken schlafen. An diesem Punkt verstanden wir endlich, dass die Kinder bereit waren, ihr Leben zu verändern. Dazu brauchten sie aber einen sicheren Ort, an dem sie sich beschützt und umsorgt fühlten, wie jedes andere Kind. Sie brauchten ein Zuhause.